Sulpiz Boisserée kehrt zurück zum ZDV

Bedeutendes Geschenk

Sulpiz Boisserée von J. N. Bernhardt 1843/44

Aus dem Besitz der Familie Kann, die in unmittelbarer Linie auf Bernhard Boisserée (1773–1805), einen älteren Bruder Sulpiz Boisserées, zurückgeht, erhielt der Verein ein Portrait des Dombauinitiators und -förderers Sulpiz Boisserée (1783–1854). Es wurde zwischen November 1843 und Januar 1844 bei dem Münchener Portraitmaler Joseph Nepomuk Bernhardt gemalt. Unmittelbarer Anlass für die Erstellung des Gemäldes dürfte der 60. Geburtstag des Dargestellten am 3. August 1843 gewesen sein. Bereits im März des Vorjahres war ihm im Münchener Kunstverein ein Portrait aus der Hand des Malers positiv aufgefallen. In den Tagen um seinen Geburtstag, Ende Juli und Anfang August 1843, besuchte er Bernhardt zweimal zusammen mit seinem jüngsten Bruder Melchior – wohl um die Anfertigung des Portraitbildes zu besprechen und zu beauftragen. Der Maler besaß ein Atelier am Münchener Maximiliansplatz, wo sich auch die Wohnung von Sulpiz Boisserée und seiner Frau Mathilde befand. Bernhardt, der auch für das bayerische Königshaus tätig war, gehörte in der Mitte des 19. Jahrhunderts neben seinem Lehrer, dem Hofmaler Joseph Karl Stieler, zu den wichtigsten und beliebtesten Portraitmalern des gehobenen Bürgertums und Adels in München. Die eigentlichen Portraitsitzungen, insgesamt 16 Termine, fanden zwischen dem 29. November 1843 und dem 10. Januar 1844 statt.

Ehrenpräsident Michael H. G. Hoffmann nahm das Gemälde in den Räumen des ZDV entgegen. Er freut sich, dass der Verein nun erstmals im Besitz eines Portraits des bedeutendsten Initiators des Dombaues im 19. Jahrhundert ist und dankt den vier Geschwistern der Erbengemeinschaft daher ganz herzlich für ihre großzügige Stiftung. Er sei stolz und dankbar, »Sulpiz Boisserée quasi als Heimkehrenden im ZDV zu begrüßen«. Das Gemälde bekam einen Ehrenplatz im Sitzungsraum des Vereins und blickt von dort in Richtung des vollendeten Domes. Ihm schräg gegenüber hängt gewissermaßen ein guter Bekannter Boisserées, ein Portrait des zweiten Präsidenten des ZDV, Josef Rolshausen, der 1843 sein Amt antrat. Auch Silvia Kann-Hähn und Paulhorst Kann, die das Gemälde auch im Namen ihrer Geschwister dem ZDV überreichten, freuen sich über den neuen Aufbewahrungsort ihres Ururururgroßonkels. Das Bildnis Sulpiz Boisserées, der zu Lebzeiten tatkräftig die Domvollendung betrieben hätte, sei in den Räumen des ZDV in großer Nähe zum Dom und zur Dombauhütte würdig aufgehoben. Er gehöre hier hin.

Dombaumeister Peter Füssenich, Paulhorst Kann, Silvia Kann-Hähn, Ehrenpräsident Michael H.G. Hoffmann

Dombauinitiator Sulpiz Boisserée (ca. 1843), Silvia Kann-Hähn, Paulhorst Kann, Dombaumeister Peter Füssenich, Ehrenpräsident Michael H.G. Hoffmann (13. Präsident), Josef Rolshausen (2. Präsident 1843-1848)

 

Hintergrundinformationen

Sulpiz Boisserée
Der Kölner Kaufmannssohn Sulpiz Boisserée (1783–1854) war zweifellos eine der »erstaunlichsten Persönlichkeiten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts« (Arnold Wolff). Zum einen tat er sich als Sammler mittelalterlicher Malerei hervor und legte einen wichtigen Grundstock für die Sammlung der Alten Pinakothek in München, vor allem aber hatte er es sich zum Lebensziel gesetzt, die Vollendung des Kölner Domes Wirklichkeit werden zu lassen. Seit 1808 hatte er den Bau erforscht und schließlich in seinem großem Mappenwerk »Ansichten, Risse und einzelne Theile des Doms von Köln« in zahlreichen großformatigen Kupferstichen publiziert. Wesentlich war er bei der Wiederauffindung und dem Rückerwerb des in zwei Hälften geteilten und seit 1794 verschollenen Fassadenrisses F beteiligt. Vor allem aber suchte er ganz im Sinne seiner Mission engen Kontakt zu unzähligen Persönlichkeiten des geistigen und öffentlichen Lebens seiner Zeit, so zu Johann Wolfgang von Goethe, Joseph Görres, den Brüdern Friedrich und August Wilhelm Schlegel, den Gebrüdern Grimm, zu den Königen Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Ludwig I. von Bayern oder zu führenden deutschen Architekten wie Karl Friedrich Schinkel und Georg Moller. Sie alle konnte er für die Idee der Domvollendung begeistern.

Sulpiz Boisserée im Jahr 1843
Mein 60. Jahr vollendet, wie viel habe ich Gott zu danken – wie viel Liebe habe ich von den Meinigen und von Freunden genossen[;] wie sehr muß ich wünschen die Tage, die mir noch vergönnt sind gut anzuwenden, und so vieles Versäumte nachzuholen, so viel Angefangenes mit Gottes Hülfe zu vollenden –!

(Sulpiz Boisserée, Tagebucheintrag zum 3. August 1843)

Das Portrait entstand in einer wichtigen Lebensphase Sulpiz Boisserées, der seit 1827 in München wohnte. Am 4. September 1842 hatte er in Köln an der Grundsteinlegung zum Weiterbau des Domes teilgenommen und konnte nun endlich die Realisierung seiner Idee der Domvollendung miterleben.

Trotz der großen Entfernung seines Münchener Wohnsitzes zu Köln nahm er regen Anteil am Dombau und tauschte sich insbesondere mit Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner in einem regen Briefwechsel über die neuesten Entwicklungen an der Baustelle aus. Auch ließ Zwirner ihm regelmäßig Pausen aktueller Planungen nach München liefern. Dass die Verhältnisse in Köln für Boisserée nicht immer erfreulich waren, zeigte sich gerade im Jahr 1843, als es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen um den Dombau kam. Streitpunkte waren etwa die Größe und Gestaltung der geplanten Engelfiguren von Edward von Steinle in den Bogenzwickeln des Domchores oder die Planungen zu den Querhausfassaden des Domes. Insbesondere der Kreis um die Dombaufreunde August Reichensperger und Friedrich Bloemer opponierte heftig gegen die Vorstellungen des Dombaumeisters, dessen Auffassungen von Boisserée geteilt wurden. Spannungen im Dombauverein führten sogar zum Rücktritt des ersten Präsidenten Heinrich von Wittgenstein im Mai 1843. Mehr als einmal bedauerte Boisserée daher in seinen Briefen an Zwirner, nicht vor Ort sein zu können, um stärkeren Einfluss zu nehmen. Dies dürfte ihn schließlich 1845 dazu bewogen haben, wieder ins Rheinland zu ziehen, nach Bonn.

Aber auch in München selbst konnte Boisserée unmittelbar für den Kölner Dom tätig werden. So suchte er Kontakt zu Max Ainmiller und Heinrich Maria von Hess, um beratend auf die Planungen zu den von König Ludwig I. gestifteten sogenannten Bayernfenster Einfluss zu nehmen, und vermittelte zwischen dem Kölner Dombaumeister und dem Münchener Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier wegen der Ergänzung der 1794 schwer beschädigten Grabfigur des Konrad von Hochstaden. Aufgrund des Todes Stiglmaiers im März 1844 wurde sie schließlich von Ferdinand von Miller durchgeführt. Die Modelle hatte Boisserées Freund Ludwig Michael Schwanthaler erstellt. Ansonsten war Boisserée neben seinen täglichen Korrespondenzen mit der Revision der Druckbögen zur zweiten Auflage seines Werkes über die »Denkmale der Baukunst vom 7ten bis zum 13ten Jahrhundert am Nieder-Rhein« beschäftigt.

Eng waren die Brüder Boisserée in das kulturelle und gesellschaftliche Leben Münchens eingebunden. Sulpiz Tagebücher verzeichnen nahezu täglich mehrere Besuche und Gegenbesuche von und bei namhaften Künstlern, Architekten, Literaten, Mäzenen und anderen Größen der Stadt. In besonders engem Austausch stand er unter anderem mit dem Architekten Friedrich von Gärtner, dem Bildhauer Ludwig Michael Schwanthaler, dem Publizisten Joseph Görres oder mit der Familie des preußischen Diplomaten Gustav Ernst von Küster. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Franz Liszt, Bettina von Arnim, Jacob Grimm waren im Sommer und Herbst 1843 in München zu Gast und trafen mit Boisserée zusammen. Zahlreich waren aber auch die Todesnachrichten von Freunden und Weggefährten. Anlässlich des Todes des befreundeten Medizinalrates Dr. Bernhard Huth aus Darmstadt notierte er am 8. August in sein Tagebuch: »So folgt ein alter Freund dem anderen!«. In der Zeit der Portraitsitzungen im Dezember 1843 berührte ihn besonders die schwere Krankheit und der Tod des nicht einmal anderthalbjährigen Emanuel von Küster. Während seine Frau Mathilde am Bett des Kindes Krankenwache hielt, notierte er am 4. Dezember in sein Tagebuch: »Erstes Allein-Sein seit vielen Jahren. Ernsthafte Gedanken über das Leben!«

So zeigt auch Bernhardts Portrait Boisserée als einen vornehmen, nicht mehr ganz jungen, selbstbewusst, aber auch nachdenklich in die Zukunft schauenden Mann. Gekleidet in der Mode der Zeit, in weißem Hemd mit schwarzem Halsband, schwarzer Weste und schwarzem Frack prunkt als einziges, die Blicke auf sich ziehendes Schmuckstück eine goldene Nadel auf seiner Brust.

Es bleibt zu hoffen, dass das Portrait Sulpiz Boisserées für eine lange Zukunft über die Geschicke und Eintracht des ZDV wachen möge, … damit der Dom uns bleibt.

Matthias Deml, Dombauhütte Köln

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