Herausforderung Michaelportal

Arbeiten an einer Hand

Ein Restaurierungsprojekt, bei dem sehr viele Mitarbeitende der Dombauhütte aus den verschiedensten Gewerken eng verzahnt zusammenarbeiten, ist die 2013 begonnene Restaurierung des Michaelportals. Im Zweiten Weltkrieg erlitt es schwere Schäden, die zum Großteil nicht behoben waren. Lediglich die im Krieg abgesprengten Köpfe und Attribute der großen Gewändefiguren wurden zwischen 1965 und 1972 in betont moderner Formensprache ergänzt. In den Archivolten (Bogenlaibungen) und Relieffeldern des Tympanons (Bogenfeld) klafften Einschusslöcher und kraterförmige Aussprengungen. Zahlreiche Figuren, Reliefs und Baldachine waren verstümmelt oder gänzlich zerstört. Diese in der ursprünglichen Form wiederherzustellen, ist neben einer schonenden Reinigung der Steinoberflächen die Aufgabe der laufenden Restaurierung. Bewusst sollen die Ergänzungen der Nachkriegszeit erhalten und kleinere Kriegsspuren belassen werden, um die wechselvolle Geschichte des Portals zu dokumentieren. Inzwischen ist die Restaurierung weit vorangeschritten. Alle Archivoltenskulpturen und die Reliefs des Tympanons wurden unter Verwendung von Reinigungslasern gesäubert, zahlreiche zerstörte Archivoltenfiguren getreu der erhaltenen Gipsmodelle des 19. Jahrhunderts neu geschaffen, beschädigte ergänzt.

Uta Tröger am Tympanon

Neben der Wiederherstellung beschädigter oder zerstörter Baldachine ist zurzeit die Wiederherstellung der Reliefs des Tympanons ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeiten. So konnten in den vergangenen Monaten nahezu sämtliche zerstörten Partien der Reliefs, wie vor allem Köpfe, Hände und Attribute durch die Bildhauerinnen Nina Ohldag und Uta Tröger sowie den Bildhauer Hans-Christoph Hoppe kopiert werden. Unter anderem mussten insgesamt 17 Köpfe erneuert werden. Da man das Tympanon nicht ausbauen und in die Bildhauerwerkstatt bringen kann, wurden vom Baugerüst aus zunächst aus Silikon Matrizen aller beschädigten Bereiche des Originalreliefs angefertigt, die dann als Formen zur Herstellung exakter Gipsabgüsse dienten. Auf diesen haben die Bildhauer mit Modelliermasse (thermisches Plastilin) zunächst die fehlenden Partien aufmodelliert. Als Vorlage dienten ihnen die gut erhaltenen Originalmodelle des Tympanons von Peter Fuchs aus den Jahren 1879/80. Diese im Maßstab 1:2 gefertigten Modelle des 19. Jahrhunderts sind deutlich kleiner und somit im Detail auch weniger fein ausgearbeitet als die ausgeführten Skulpturen. Daher mussten sich die Bildhauer bei ihrer Rekonstruktion der fehlenden Partien im Detail auch an den erhaltenen Bereichen der Reliefs orientieren. »Die besondere Herausforderung unserer Arbeit liegt darin, zwischen der Form der erhaltenen Gipsmodelle und den tatsächlich ausgeführten Bildhauerarbeiten am Portal zu vermitteln«, so Uta Tröger. Anders als in der Nachkriegszeit, als man am Dom in einer betont modernen Formensprache erneuerte, ist es das Ziel der laufenden Restaurierung, die Ergänzungen möglichst originalgetreu im Stil des 19. Jahrhunderts auszuführen. Anhand der auf diese Weise neu erstellten Modelle wurden die zerstörten Elemente in Stein ausgeführt. Zur maßgenauen Übertragung bedienen sich die Bildhauer, wie bereits ihre Vorgänger im 19. Jahrhundert, einer Punktiermaschine. Mit ihrer Hilfe lässt sich jeder Punkt der Oberfläche abmessen und somit exakt vom Modell auf den Stein übertragen. Wie im 19. Jahrhundert verwenden sie einen feinen Kalkstein aus Frankreich.

Schafe im Tympanon vor der Säuberung, Foto ZDV

Die Skulpturen und Reliefs des Michaelportales stammen von Peter Fuchs (1829–1898), dessen Werkstatt bis 1884 mehr als 700 Skulpturen für den Kölner Dom geschaffen hat. Hauptthema des Skulpturenschmucks der Nordquerhausfassade ist die »Verwirklichung des Erlösungswerkes in der Menschheit durch Christus und seine Stiftung in der Kirche«. Als zentrale Figur im Wimperg über dem Michaelportal erscheint daher der auferstandene Christus mit der Siegesfahne. Zu seinen Seiten stehen die vier lateinischen Kirchenväter. Das Tympanon zeigt Szenen aus dem Leben Jesu nach seiner Auferstehung und Szenen aus der Apostelgeschichte. In der Bogenspitze beginnend sind dargestellt: die Übergabe des Hirtenamtes an Petrus – »Weide meine Lämmer« (Joh 21,15–17), die Aussendung der Apostel (Mk 16,14–15), die Himmelfahrt Christi (Apg 1,11 ), die Aussendung des Heiligen Geistes (Apg 2,1–13), die Bekehrung des Paulus (Apg 9,4), der Apostelabschied und das Konzil von Jerusalem (Apg 15,1–35). Man geht davon aus, dass in Zeiten des Kulturkampfes das Portal als eine deutliche Stellungnahme der katholischen Kirche verstanden wurde.

Zurzeit ist Uta Tröger damit beschäftigt, die neu gefertigten Elemente, es handelt sich um sogenannte Vierungen, mit kleinen Dübeln an den Reliefs anzusetzen und mit mineralischem Mörtel auszufugen. Deutlich kann man die erneuerten Partien an der helleren Färbung des Steines erkennen. Kleinere Fehlstellen werden gegebenenfalls mit Steinrestaurierungsmörtel geschlossen.

Matthias Deml, Dombauhütte Köln   

 

Fotos Mira Unkelbach, Dombauhütte Köln