
Der neue Blick auf den Dom - 3D

Das von der Firma Northdocks GmbH, Monheim, für die Kölner Dombauhütte erstellte 3-D-Modell des Domes ist inzwischen weit fortgeschritten und kann bereits in Teilen genutzt werden.
Im März 2021 hatte es zuletzt noch Befliegungen der Kathedrale mit einer Drohne gegeben. Für die Dombauhütte bietet das 3-D-Modell des Domes vor allem in zwei Anwendungen vielversprechende Möglichkeiten: für das Baumonitoring und für die Kartierung im Rahmen von Restaurierungsarbeiten.
Baumonitoring
Die fortlaufende Kontrolle des Bauwerkes ist eine wesentliche Aufgabe der Kölner Dombauhütte. Wenn Bauschäden frühzeitig erkannt werden, können sie oft mit vergleichsweise kleinen Maßnahmen behoben werden, ehe sie zu großen Problemen heranwachsen. Gefährdungen, etwa durch lose Steinfragmente, können beseitigt werden, bevor es zu einem Schadensfall kommt. Zum Monitoring am Kölner Dom gehören unter anderem: permanente Klima- und Schadstoffmessungen am Bau selbst sowie an den Fenstern und den bedeutenden Kunstwerken; die von der Erdbebenstation Bensberg der Universität Köln eingerichteten Erdbebenmessstationen an verschiedenen Punkten des Baues, mit deren Hilfe das Schwingungsverhalten des Domes bei Erdbeben und Stürmen überwacht wird; regelmäßige Vermessungen des Domes, um mögliche Bewegungen des Bauwerkes frühzeitig erkennen zu können; die Überprüfung und Aktualisierung des Brandschutzes in enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr.

Ein wesentlicher Aspekt des Monitorings, bei dem das 3-D-Modell in Zukunft eine wichtige Aufgabe leisten wird, ist aber die regelmäßige und unmittelbare Kontrolle des Bauwerkes und der Steinoberflächen selbst. Dies gestaltet sich an einer gotischen Kathedrale von den Ausmaßen und der Komplexität des Kölner Domes äußerst schwierig. Die Architektur mit ihren oft sehr filigran gebildeten, freistehenden Baugliedern wie Strebepfeilern, Strebebögen, Fialen (gotische Ziertürmchen), Wimpergen (gotische Maßwerkgiebel), Maßwerkbrüstungen, Maßwerkfenstern ist in besonderer Weise der Verwitterung durch Wind und Regen sowie Luftschadstoffen ausgesetzt. Anders als etwa eine geschlossene Fassade werden die frei aufragenden, aus Naturstein gefertigten Bauteile auf mehreren Seiten bewittert. Die verschiedenen am Dom verwendeten Steine zeigen dabei sehr unterschiedliches Verwitterungsverhalten. Weite Bereiche des Domes waren seit Jahrzehnten, manche seit über 150 Jahren, nicht eingerüstet. Wiederholt ist es daher, vor allem seit den schweren Erschütterungen des Bauwerks während der Bombardements des Zweiten Weltkrieges, bei Stürmen, Erdbeben oder auch bei starken Temperaturschwankungen immer wieder zu kleineren oder größeren Steinschlägen gekommen.

Um dieses Risiko zu minimieren, werden seit etlichen Jahren insbesondere die unteren Partien der beiden Türme, aber auch andere Bauteile des Domes regelmäßig mit Arbeitsbühnen befahren und kontrolliert. Lose Bauelemente, die abstürzen könnten, werden dabei unmittelbar entfernt, größere Flächen mit starken Verwitterungsschäden mit Schutznetzen gesichert. Die Höhe des Bauwerks, aber auch die vielen Hinterschneidungen der Architektur, insbesondere im Strebewerk, bedingen, dass bei weitem nicht alle Bereiche der Kathedrale mit Arbeitsbühnen zu erreichen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gewicht und damit die Größe der einsetzbaren Arbeitsbühnen wegen der unter der Domplatte liegenden Tiefgarage sehr eingeschränkt sind.

Große Kräne und Bühnen können daher nicht oder nur unter hohem Aufwand (Abstützung aller Tiefgaragenstockwerke) durchgeführt werden.
Die Kontrolle nicht befahrbarer Partien muss entweder von eigens aufgebauten Gerüsten oder vom Seil aus ausgeführt werden. Einige Mitarbeiter haben hierfür eigens eine Zusatzausbildung als Industriekletterer absolviert. Beides bedeutet einen enormen Aufwand und kann nur dort durchgeführt werden, wo man mit Schäden rechnet oder solche bereits auf die Ferne hin erkannt hat.
Gerade in diesem Zusammenhang bietet das neu erstellte 3-D-Modell des Domes ein enormes Potential. So lassen sich mit Hilfe der VR-Technologie am 3-D-Modell schwer erreichbare und kaum oder gar nicht einsehbare Bereiche des Domes in hochauflösenden Bildern fast wie vor Ort betrachten und auf nötigen Handlungsbedarf untersuchen.

Dies ersetzt zwar nicht eine nähere Begutachtung vor Ort, bei der man den Stein auch physisch eingehend untersuchen kann. Es ermöglicht aber bereits im Vorfeld eine Auswahl von Partien zu treffen, bei denen eine genauere Untersuchung notwendig erscheint. Hat man bereits im Vorfeld eine visuelle Schadensbegutachtung vorgenommen, können als problematisch erkannte Bereiche gezielter angefahren oder begangen werden. Die bisher für die Begutachtung vor Ort benötigte Zeit kann somit sehr viel effektiver für tiefgehende Untersuchungen und die Sicherungsarbeiten selbst genutzt werden.
Auch in Vorbereitung größerer Restaurierungskampagnen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dombauhütte mit Hilfe des 3-D-Modells nun bereits vor dem Aufbau der Gerüste mit einer ersten Schadensbegutachtung und der Planung der anstehenden Maßnahmen beginnen. Damit lässt sich die Standzeit von Gerüsten verkürzen. Auswärtige Fachleute sowie Kolleginnen und Kollegen können von ihrem jeweiligen Arbeitsort aus virtuell zu einer ersten Begutachtung vor dem Modell hinzugezogen werden, ohne eigens anreisen zu müssen.

Aufgrund der nur geringen Abweichungen im Millimeterbereich können am Modell ferner Maße genommen werden sowie die für die Planung weiterer Maßnahmen benötigten Ansichten und Schnitte gezogen werden.
Wichtig ist für das Monitoring, dass das Modell in Zukunft durch regelmäßige Befliegungen auf aktuellem Stand gehalten wird. Insbesondere restaurierte Abschnitte sollen jeweils nach Abbau der Gerüste neu erfasst werden. Aber auch in den anderen Bereichen lohnt sich nach einer gewissen Zeit die Kontrolle, ob sich der Bauzustand verschlechtert hat.
Zurzeit wird in der Dombauhütte darüber nachgedacht, langfristig bestimmte Partien durch ein autonomes Drohnensystem regelmäßig anfliegen und kontrollieren zu lassen.
Kartierung
Zur Planung und Dokumentation von Restaurierungsarbeiten ist es notwendig, im Vorfeld, während und nach Abschluss der Maßnahmen Bestand, Schadensbilder und Restaurierungsmaßnahmen zu dokumentieren und in aufmaßgerechten Plänen zu kartieren.
Zurzeit ist die Dombauhütte in Zusammenarbeit mit der Firma Fokus, Leipzig, in Vorbereitung, die Schadens- und Maßnahmenkartierung von 2-D-Kartierungen auf 3-D-Kartierungen umzustellen. Die Software metigo MAP wird hierzu für die Zwecke der Dombauhütte angepasst. Sobald das 3-D-Modell des Domes fertiggestellt ist, sollen die zur Kartierung notwendigen Pläne für die anstehenden Baustellen aus dem Modell herausgezogen werden.
Dies bietet den Vorteil, dass die Restauratorinnen und Restauratoren sich virtuell um jeden einzelnen Bauteil bewegen können. Markierungen und Eintragungen in den Kartierungen, die alle Seiten eines Werkstückes betreffen, müssen nur noch einmal statt auf bis zu vier Seitenansichten eingezeichnet werden.
Die Finanzierung
Die Finanzierung des 3-D-Modells wurde vollständig durch den Zentral-Dombau-Verein getragen. Der Zentral-Dombau-Verein (ZDV) ist seit seiner Gründung im Jahr 1842 der wichtigste Partner der Dombauhütte. Mehr als 60 Prozent der Baukosten zum Erhalt des Weltkulturerbes Kölner Dom bringt der Verein jedes Jahr auf. Diese hohe Summe (2019 waren es etwa 4,4 Millionen Euro) setzt sich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Patenschaften und Erbschaften zusammen.
Text: Matthias Deml / Michael Jürkel, Dombauhütte Köln
Fotos: Laufenberg / Jürkel, Dombauhütte Köln